Wolff: 2026 bringt gleiche Chancen und gleiche Risiken
Die Formel 1 boomt wie selten zuvor. Volle Tribünen, globale Aufmerksamkeit, steigende Reichweiten in sozialen Medien und immer mehr strategische Investoren: Die Königsklasse des Motorsports hat sich in den vergangenen Jahren vom elitären Zirkus zur globalen Plattform zwischen Sport, Business und Entertainment entwickelt. Einer der Architekten dieses Erfolgs ist Mercedes-Teamchef Toto Wolff.
Im Gespräch mit der Financial Times zeichnete der Österreicher nach, wie aus der Rennserie ein internationales Investorenmodell wurde – und warum 2026 zum Wendepunkt werden könnte. „Die Regeländerung 2026 ist die größte überhaupt“, sagte Wolff. „Die Antriebe werden echte 50:50-Hybride – 50 Prozent Verbrenner mit 100 Prozent nachhaltigem Kraftstoff, 50 Prozent elektrisch. Das ist bahnbrechend.“
Diese technische Revolution wird flankiert von neuen Aerodynamik- und Chassis-Vorgaben, die auf Effizienz und geringeren Energieverbrauch abzielen. Für Wolff ist klar: „Das ist die radikalste Regeländerung, die wir je hatten.“



Schon der Wandel der vergangenen Jahre habe die Formel 1 tiefgreifend verändert. Mit dem Einstieg von Liberty Media und dem Launch der Netflix-Serie Drive to Survive sei der Grundstein für eine neue Popularitätswelle gelegt worden. Zwar hätten Teams wie Mercedes und Ferrari das Projekt zunächst kritisch beäugt – man sei schließlich nicht „Cirque du Soleil“, sondern fahre um Weltmeisterschaften. Doch der Wandel habe sich gelohnt. Junge Fahrer auf Social Media, neue Narrative rund um Teams und Persönlichkeiten sowie der Schub durch Corona hätten dem Sport eine neue Zielgruppe erschlossen. „Unsere am stärksten wachsende Zielgruppe sind junge Frauen zwischen 15 und 24 Jahren“, betonte Wolff.
Nicht zuletzt habe auch der Kostendeckel die wirtschaftliche Attraktivität der Serie massiv gesteigert. „Der Gamechanger war der Cost Cap. Das hat für Investoren eine ähnliche Berechenbarkeit geschaffen wie in der NFL“, erklärte Wolff. Früher hätten große Teams wie Mercedes die finanziellen Vorteile ausgespielt, heute gelte Chancengleichheit als oberstes Prinzip. „Wir haben den Kostendeckel akzeptiert, um ein Level Playing Field zu schaffen.“
Dass dadurch plötzlich auch Teams wie McLaren wieder vorne mitfahren, sei kein Zufall. „Heute können vier Teams ein Rennen gewinnen. Acht Fahrer haben ein Auto, mit dem sie Rennen und die Weltmeisterschaft gewinnen können. Es passiert bereits.“
Zugleich sei es gelungen, nicht nur fahrerzentrierte, sondern auch teambezogene Fanloyalität aufzubauen – eine Entwicklung, die man bislang vor allem aus dem US-Sport kannte. „Lewis Hamilton hat uns geholfen, Fahrerfans in Mercedes-Fans zu verwandeln“, sagte Wolff. Neue Talente wie Kimi Antonelli würden ebenfalls früh emotionale Bindungen auslösen. Der Vergleich zum Fußball liegt nahe: Wer als Kind Fan wird, bleibt es oft ein Leben lang – durch Höhen und Tiefen.
Trotz der Begeisterung warnt Wolff jedoch davor, den Sport zu überdrehen. „Wir müssen den Sport schützen. Das ist unser Heiligtum. Wenn wir nicht aufpassen, sind wir wieder da, wo wir in den frühen 2000ern waren – weltweit bekannt, aber weniger beliebt.“ Die Herausforderung bestehe darin, den Spagat zwischen wirtschaftlichem Wachstum und sportlicher Glaubwürdigkeit zu meistern. „Das Herz der Formel 1 ist und bleibt die Stoppuhr. Sie lügt nicht.“
Für die anstehenden Jahre ist Wolff zuversichtlich – aber wachsam. Die Balance zwischen Berechenbarkeit, Emotion, Technik und Erzählung müsse stimmen. „2026 bringt gleiche Chancen – und gleiche Risiken.“
Fotos: Mercedes-AMG Petronas

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